Die Psychologie der Preise
Für ein Unternehmen wirken die Preise mit einem großen Hebel auf die Erträge. Für den Kunden ist die Preisliste ausschlaggebend, wie er seine Kaufentscheidung trifft — oder auch nicht. Die Preisliste wird damit zu einem der wichtigsten Elemente im Kaufentscheidungsprozess. Viele Unternehmen beschränken sich bei der Preisgestaltung viel zu sehr auf die Preispunkte. Mit viel Aufwand versucht man Fragen wie “Kann ich mein Produkt für 130.- oder für 140.- Euro verkaufen?” zu beantworten. Dabei geht es bei der Preisgestaltung um viel mehr als um die Festlegung der Preispunkte.
In meinem Verständnis ist eine Preisliste, zu der auch ein individuelles Angebot gehört, ein Kommunikationsmedium und wichtiges Bindeglied zwischen den Kunden und den Anbietern. Eine gute Preisliste führt zu einem partnerschaftlichen Dialog. Sie gibt dem Kunden eine Orientierung und erklärt ihm die angebotenen Produkte und Services auf eine leicht verständliche Art. Eine gute Preisliste bietet dem Kunden Auswahlmöglichkeiten und unterstützt ihn durch eine Bündelung der Produkte und Services bei der Auswahl eines für ihn passenden Angebotes. Der Anbieter versteht durch eine gut aufgebaute Preisliste die Bedürfnisse und Präferenzen seiner Kunden noch besser. Er kann mittels der Preisliste über seine Leistungen und den geschaffenen Nutzen sprechen. Mit einem Einstiegsangebot zieht er neue Kunden an, in einer späteren Phase verkauft er diesen dann höherwertige Angebote. Durch das präzise Angebot von Optionen und Add-ons generiert er attraktive Zusatzerträge. All dies zeigt, dass man mit einer Preisliste bzw. einem Angebot ein wirkungsvolles Instrument in der Hand hält, um sich mit seinen Kunden intensiv über die Leistungen und deren Nutzen auszutauschen.
Das Wichtigste bei der Preisgestaltung ist ein gutes Verständnis der Bedürfnisse des Kunden sowie des für ihn geschaffenen Nutzens und Wertes. Dieses Verständnis ist die Grundlage der Preisdifferenzierung. Bei der Preisdifferenzierung spricht man mit Produktvarianten unterschiedliche Kundenbedürfnisse an. So erreicht man nicht nur ein breites Spektrum an Kundensegmenten, sondern steigert gleichzeitig auch deren Zahlungsbereitschaft. Denken Sie beispielswiese an das Angebot von Starbucks. Durch Produktvarianten wie Espresso, Cappuccino oder Caramel Frappuccino werden unterschiedlichen Kundensegmente angesprochen und deren Zahlungsbereitschaft gesteigert. Ein Espresso wird für 2,49 Euro verkauft und ein Caramel Frappucuccino für 6,49 Euro.
Die Preisdifferenzierung hat noch einen weiteren großen Vorteil: Sie ermöglicht die Anwendung von psychologischen Preishebeln. Diese beruhen auf irrationalen psychologischen Prozessen, die die Zahlungsbereitschaft der Kunden zusätzlich anregen. Zu diesen Prozessen zählen beispielweise “Ankerpreise”: In dem Moment, in dem der Kunde einen hohen Preis für eine hochwertige Produktvariante wahrnimmt, erscheinen die Preise der darunterliegenden Produktvarianten in seiner Wahrnehmung niedriger. Ein anderes Beispiel ist der “Kompromiss-Effekt”. Viele Kunden nehmen die Produktvariante in der Mitte als besten Kompromiss aus Preis und Leistung wahr und wählen deshalb diese.
Wir empfehlen unseren Kunden einen agilen und wertbasierten Prozess der Preisgestaltung. In der ersten Iteration strukturiert man seine Kundensegmente, beschreibt seine Produkte und Services, analysiert seine Kosten, den Markt und die Wettbewerber und definiert seine Preisstrategie. Dabei überlegt man sich, wie man seine Produkte und Services sinnvoll bündeln oder entbündeln und wie man mögliche Produktvarianten gestalten kann.
Dann wählt man die besten Preismetriken, z.B. pro Stück oder pro User, aus. Am Ende der Iteration legt man die Preispunkte fest. Hier empfehlen wir unseren Kunden meist eine heuristische Vorgehensweise. Diese leitet sich aus der gewählten Preis-Strategie ab, beruht auf einer strukturierten Wertanalyse und zieht historische Erfahrungswerte heran. Ziel der ersten Iteration der Preisgestaltung ist der Entwurf einer Preisliste – sozusagen eines “Minimal Viable Pricing Models”. Dieser Entwurf wird dann in weiteren Iterationen kontinuierlich erweitert, verfeinert und validiert. Am Ende des Prozesses steht ein Go-live Preismodell. Aber auch nach der Einführung dieses Preismodells am Markt lohnt es sich, dieses zu beobachten und weiterzuentwickeln. Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen, die ihre Preismodelle kontinuierlich optimieren, erfolgreicher sind als Unternehmen, die dies gar nicht oder nur unregelmäßig tun.
Über Christian Wirth
Als Geschäftsführer und Gründer der Optimal Price GmbH unterstützt Christian seit 2014 Unternehmen jeder Grösse und aus allen Branchen bei der wertorientierten Preisgestaltung.
Er ist auf die Preisgestaltung von SaaS Lösungen und von innovativen, technisch anspruchsvollen Produkten und Services spezialisiert. Die von ihm entwickelte MUTUVAL Lösung zeichnet sich durch einen umfassenden Ansatz, eine wertorientierte Methode und eine agile Pricing Journey aus. Mit abonnement- und nutzungsbasierten Geschäfts- und Preismodellen hat er mehr als 20 Jahre Erfahrung. Zu seinen Kunden zählen Telekom‑, Automobil- und Finanzindustrie, die Swisscom AG, Mercedes-Benz AG, MCC smart GmbH und Swiss Bankers Prepaid Services AG.
christian.wirth@optimalprice.com