ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe
Foto: Dr. Thomas Derlin

Aktuelle Entwicklungen im VC-Bereich

Dazu 3 Fragen an Dr. Thomas Derlin

GSK Stock­mann
Foto: Dr. Thomas Derlin
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4. Septem­ber 2018

Neben bereits etablier­ten Early-Stage-Fonds legen zuneh­mend auch bisher eher mid- und later-stage-orien­­tierte VC Fonds sepa­rate Fonds für Seed- und Early-Stage-Inves­t­­ments auf. Ferner inves­tie­ren zuneh­mend auch klei­nere und mittel­große Family Offices direkt in Start­ups. Zu beob­ach­ten ist auch eine verstärkte Tätig­keit von Busi­ness Angels in immer orga­ni­sier­te­rer Form. Es gibt mannig­fal­tige Bewe­gun­gen in der Seed- und VC-Szene.


Dazu 3 Fragen an Dr. Thomas Derlin, LL.M., Part­ner bei GSK Stock­mann in Berlin

1. Was sind die Gründe für die oben beschrie­be­nen Entwicklungen?

Die Nied­rig­zins­phase hält – jeden­falls in Europa – weiter­hin an und es ist derzeit kein Ende dieser Phase in Europa in Sicht. Es ist unter ande­rem aus diesem Grund viel Geld im Markt. Bei ande­ren Asset­klas­sen, wird es zuneh­mend schwie­ri­ger, hohe Rendi­ten zu erzie­len. Die Asset­klasse „Venture Capi­tal“ gewinnt unter ande­rem aus diesem Grund – trotz der Risi­ken – zuneh­mend an Attrak­ti­vi­tät für Inves­to­ren. Jüngste Neuauf­la­gen von VC-Fonds haben gezeigt, dass die Fonds­vo­lu­mina auch in Deutsch­land aufgrund des stei­gen­den Inter­es­ses an VC-Invest­ments stetig größer werden. Ande­rer­seits steigt hier­durch auch im VC-Bereich der Anlage- und Rendi­te­druck. Unter ande­rem werden aus diesem Grund auch für bisher eher auf spätere Invest­ment­pha­sen fokus­sierte VC-Fonds Früh­pha­sen-Invest­ments attrak­ti­ver. Häufig werden hier­für sepa­rate Fonds aufgelegt.

Bei Family Offices und Busi­ness Angel ist eine beein­dru­ckende Profes­sio­na­li­sie­rung fest­zu­stel­len. Das gilt sowohl für das Deal-Sourcing als auch für die fort­lau­fende Betreu­ung von Invest­ments. Family Offices inves­tie­ren zwar auch weiter­hin in VC-Fonds. Die stär­kere Profes­sio­na­li­sie­rung und die wach­sende Erfah­rung mit VC-Invest­ments haben jedoch dazu geführt, dass Family Offices zuneh­mend auch Direkt­in­vest­ments täti­gen. Zuneh­mend schlie­ßen sich Busi­ness Angel in unter­schied­li­cher recht­li­cher Form für das Deal-Sourcing und gemein­same Einzel­in­vest­ments sowie die Betreu­ung von Invest­ments bis zum Exit zusam­men. Inso­weit macht sich eine stär­kere Präsenz auch für andere als insti­tu­tio­nelle VC-Inves­to­ren im VC-Bereichs deut­lich bemerkbar.

2. Welche Rege­lun­gen sind hier beson­ders wich­tig? Wie gestal­ten sich diese? Welche Auswir­kun­gen haben sie auf die Verhandlungen?

Bei Verhand­lun­gen ist es ganz entschei­dend, dass sich Busi­ness Angels bündeln und gege­be­nen­falls auch mit Family Offices abstim­men. Andern­falls kann der Fund­rai­sing-Prozess sowohl für das Startup als auch für insti­tu­tio­nelle VC-Inves­to­ren (die zumeist etwas später inves­tie­ren als Busi­ness Angels) zu mühsam und erheb­lich behin­dert werden. Aus Sicht von VC-Inves­to­ren und auch des Start­ups sind formelle Pooling-Verein­ba­run­gen und ‑voll­mach­ten für die Zeit nach der ersten größe­ren Finan­zie­rungs­runde wich­tig. Hier finden sich immer häufi­ger soge­nannte „harte“ Pooling-Verein­ba­run­gen, die über ein bloßes Stimm­rechts­poo­ling hinaus­ge­hen. Ob und inwie­weit das akzep­ta­bel ist, wird dann nicht selten zu einem stark disku­tier­ten Verhand­lungs­punkt zwischen Busi­ness Angels einer­seits sowie dem Startup und den insti­tu­tio­nel­len Inves­to­ren andererseits.

Aus Sicht von Family Offices und Inves­to­ren spie­len bei Früh­pha­sen-Invest­ments Absi­che­run­gen für den Fall, dass sich das Startup nicht erwar­tungs­ge­mäß entwi­ckelt (insbe­son­dere Liqui­da­ti­ons­prä­fe­ren­zen und Verwäs­se­rungs­schutz), sowie die Absi­che­rung einer Mindest­in­ves­ti­ti­ons­marge im Exit-Fall eine wich­tige Rolle. Letz­te­res führt dazu, dass teil­weise schon recht früh ein Mindest­ver­kaufs­preis für den Exit-Fall verein­bart wird. Erst wenn dieser erreicht oder über­schrit­ten wird besteht eine Mitver­kaufs­pflicht der Investoren.

Ein klas­si­sches Thema sind und blei­ben natür­lich stets die Mitbe­stim­mungs- und Veto­rechte von Inves­to­ren. So ist häufig ein Verhand­lungs­punkt, ob und inwie­weit Inves­to­ren ein Mitspra­che­recht bei zukünf­ti­gen Finan­zie­rungrun­den haben sollen und unter welchen Voraus­set­zun­gen diese einer solchen Runde zustim­men müssen. Hier gibt es zwar zahl­rei­che Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten. Am Ende bleibt immer die Frage, ob und inwie­weit etwa­ige Zustim­mungs- und Mitwir­kungs­pflich­ten bei zukünf­ti­gen Finan­zie­rungs­run­den tatsäch­lich in ange­mes­se­ner Zeit durch­setz­bar wären. Nach meiner Erfah­rung liegt der Wert solcher Rege­lun­gen eher in der „Diszi­pli­nie­rungs­funk­tion“ für klei­nere Investoren.

Schließ­lich sind — auch und gerade in der Früh­phase — die Vest­ing-Rege­lun­gen für Inves­to­ren von beson­de­rer Bedeu­tung, insbe­son­dere der Vest­ing­zeit­raum, die Cliff-Peri­ode sowie die Frage, wann ein so genann­ter Good Leaver- oder Bad Leaver- Fall vorliegt. Inves­to­ren wollen hier eine klare Eigen­ver­pflich­tung der Grün­der sehen. Die Grün­der wollen ande­rer­seits nicht gege­be­nen­falls noch nach vier Jahren alle Anteile zurück­ge­ben müssen. Den Vest­ing­re­ge­lun­gen sollte beson­dere Aufmerk­sam­keit gewid­met werden (auch was die tech­ni­sche Abwick­lung angeht); sonst kann deren Um- und Durch­set­zung später erheb­li­che Schwie­rig­kei­ten bereiten.

3. Man beob­ach­tet nur wenige Börsen­gänge in Deutsch­land. Wie gestal­ten sich Ihrer Beob­ach­tung nach die aktu­el­len Exit-Szenarien?

Inter­na­tio­nal gab es noch nie so viele so genannte „Einhorn-Exits“ (d.h. Exits mit Milli­ar­den­be­wer­tung) im Wege von Börsen­gän­gen wie in 2018. Der Anteil von Europa an diesen Exits ist aller­dings eher beschei­den. Nach wie vor ist das Börsen­um­feld in Deutsch­land ein ganz ande­res als insbe­son­dere in den USA (trotz mancher Bemü­hun­gen der Deut­schen Börse, hier nach­zu­bes­sern, u.a. durch die Schaf­fung neuer Börsen­seg­mente und Venture-Netzwerke).

In Deutsch­land handelt es sich bei Exits weiter­hin über­wie­gend um so genannte Trade Sales. Von diesen gab es in den letz­ten Jahren auch in Deutsch­land durch­aus eine große Anzahl mit teil­weise recht hohen Bewer­tun­gen. Ande­rer­seits ist auf Seiten der Käufer mitt­ler­weile eine größere Vorsicht bei Exit-Bewer­tun­gen bemerk­bar. Neben teil­weise recht umfang­rei­chen Gewähr­leis­tungs­ka­ta­lo­gen sowie hier­auf bezo­gene Escrow-Verein­ba­run­gen finden sich deshalb auch verstärkt recht strikt ausge­stal­tete Rück­hal­te­ver­ein­ba­run­gen für die Grün­der, nach denen diese zunächst noch einige Zeit (drei bis vier Jahre sind hier nicht selten) weiter arbei­ten müssen, bevor sie ihren vollen Anteil am Exit­er­lös erhal­ten. Vermehrt gibt es auch Exit-Fälle mit einer sehr großen Anzahl von (zumeist klei­ne­ren) Früh­in­ves­to­ren. Eine ganz wesent­li­che Aufgabe ist dann deren Bünde­lung sowie die recht­li­che und logis­ti­sche Hand­ha­bung solcher Fälle, auch und gerade im Hinblick auf die Vertei­lung der Exit-Erlöse und die entspre­chen­den Zahlungsströme.

 

Über Dr. Thomas Derlin
Dr. Thomas Derlin, LL.M., Part­ner bei GSK Stock­mann in Berlin, berät schwer­punkt­mä­ßig in den Berei­chen Venture Capi­tal, Private Equity und M&A sowie im Gesell­schafts­recht. Thomas Derlin hat lang­jäh­rige Erfah­rung in der Bera­tung von VC-Inves­to­ren und Start­ups bei VC-Trans­ak­tio­nen, insbe­son­dere Finan­zie­rungs­run­den und Exits, sowie in der Bera­tung von Stra­te­gen und Inves­to­ren bei M&A‑Transaktionen mit einem beson­de­ren Schwer­punkt auf IT- und Technologieunternehmen.

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