Vom Familienunternehmen zur Holding mit Family Office
Der Beginn unserer Entwicklung zu einem inhabergeführten Family Office (FO) entspricht einer wohl sehr typischen Ausgangssituation: Die bis dato nahezu ausschließlich eigengewerblichen Aktivitäten unserer Gruppe wurden vor über 20 Jahren durch den Rückzug aus dem Elektrogroßhandel signifikant reduziert, und aus einer mittelständischen Unternehmensgruppe mit 750 Mitarbeitern wurde eine unternehmerisch geprägte Vermögensverwaltung mit heute ca. 150 Mitarbeitern. Die seinerzeitige Zäsur wurde genutzt, um die Diversifikation in andere Asset-Klassen voranzutreiben, ohne dabei jedoch den eigengewerblichen Bereich komplett aufzugeben, was den für ein Family Office vergleichsweise hohen Headcount erklärt. So gehören zu unsrem Portfolio bis heute zwei mittelständische Unternehmen im Bereich des Gastronomie-Großhandels und als Spezialdienstleister im Bereich Metallverarbeitung. Insgesamt weist unsere heutige Aufstellung jedoch eine klar vermögensverwaltende Ausrichtung auf, die in der mittlerweile dritten Generation von zwei Vertretern der Gründerfamilie geführt wird. Unser Fokus und unsere Schwerpunkte richten sich nach den Erfordernissen und Möglichkeiten der jeweiligen Zeit. Aktuell weist unser aktuelles Gesamt-Portfolio daher — nicht zuletzt aufgrund der Zinsentwicklung der vergangenen 10 Jahre — einen klaren Schwerpunkt im Bereich Immobilien auf.
Unsere heutige Struktur ist damit sicherlich heterogener als die anderer FOs, indem sie in ihre vermögensverwaltende Struktur eigengewerbliche Aktivitäten integriert. Diese Aufstellung weist Chancen und Risiken gleichermaßen auf. Im Idealfall gelingt es, das Beste aus beiden Welten miteinander zu kombinieren: Im vermögensverwaltenden Bereich akzeptieren wir, nicht mehr zwangsläufig im Driver Seat zu sitzen, ohne aber unseren unternehmerischen Spirit komplett aufzugeben. Auf Sondersituationen können wir somit rascher reagieren und Opportunitäten flexibler nutzen als stärker regulierte institutionelle Marktteilnehmer. Auf der anderen Seite bewahren wir uns einen kritischeren Blick auf unsere eigengewerblichen Aktivitäten als andere in dem Bewusstsein, dass es sich dabei lediglich um einen von mehreren Bausteinen des Gesamtportfolios handelt, der sich im nüchternen Vergleich mit anderen Bereichen und Asset-Klassen zu bewähren hat.
Die optimale Nutzung dieser erweiterten Möglichkeiten stellt das Management eines solchen vielgestaltigen Portfolios vor besondere Herausforderungen. Dabei stellt sich zuvorderst die Frage, ob diese Herausforderungen sinnvollerweise von der Inhaberfamilie selbst geschultert werden oder auf externe Dienstleister zurückgegriffen werden soll. Diese Frage kann nur individuell und am konkreten Fall beantwortet werden. Bekanntlich ist nicht jeder Vollblut-Unternehmer automatisch auch ein guter Vermögensverwalter, so wie nicht jeder gute Berater automatisch als Unternehmer reüssiert. Grundvoraussetzung für eine inhabergeführte Struktur ist selbstredend, dass das erforderliche Mindestmaß an wirtschaftlichem, steuerlichem und rechtlichem Know-How aus dem Kreis der Familiengesellschafter selbst bereitgestellt werden kann – und das im Zweifel mehrfach und über mehrere Generationen hinweg. Jede Familie ist daher gut beraten, ihre Talente pfleglich zu behandeln und frühzeitig für familiäre Wirtschaftsthemen zu interessieren. Umgekehrt, d.h. wenn die internen „Human Resources“ auf lange Sicht nicht mehr gegeben sind, erwächst hieraus der explizite Handlungsauftrag, die Verwaltungsstrukturen auf eine Einbindung Dritter vorzubereiten.
Die persönliche Eignung einzelner Familienvertreter nützt indessen wenig, sofern nicht gleichzeitig ein entsprechendes Vertrauen der übrigen Gesellschafter gegenüber den handelnden Personen vorhanden ist. Erst in der Kombination diese beiden Voraussetzungen erweisen sich Familienbande als die verlässlichere und erfolgreichere „skin in the game“, als es eine rein finanzielle Beteiligung externer Dritter zu bewirken vermag. Dann lassen sich die vielbeschworenen stillen Reserven familienunternehmerischer Strukturen tatsächlich heben.
In der Führung des FO darf „inhabergeführt“ keinesfalls als „alles selbst machen“ missverstanden werden. Vielmehr muss bewußt die Schnittstelle definiert werden zwischen den originären Aufgaben der aktiven Inhaber einerseits und extern hinzugezogenem Know-How andererseits. Denn mit der Verbreiterung des Anlagehorizonts erhöht sich zwangsläufig die Anzahl der parallel zu bespielenden playing fields, was nach einer „Dezentralisierung“ des zu verarbeitenden Informationsumfangs verlangt. Konsequentes „Time Management“ erweist sich hier als erste Kardinaltugend des „Asset Management“, die das stete Hinterfragen und ggfs. Anpassen der jeweils aktuellen Prioritäten erfordert. Gelingt dies nicht, wird der Zufall des ereignisbestimmten Tagesgeschäfts zum eigentlichen Taktgeber von Investitionsentscheidungen und damit zum Gegenteil einer strategischen Asset Allocation. Denn selbstverständlich hat die geringere Größe auch Nachteile: Auf die im Rahmen von Anlage-Entscheidungen zu berücksichtigenden, immer anspruchsvolleren makro- und mikroökonomischen Fragen müssen inhabergeführte FOs genauso Antworten finden wie institutionelle Kapitalsammelstellen mit ihren erheblichen Ressourcen im Research. Die intelligente und effektive Nutzung externer Informationsquellen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Kostenseite gehört damit ebenfalls zum Kern der Aufgabenstellung.
Gelingt all dies, besteht die Chance, die Vorteile einer Inhaber-Struktur in ein Upside der Vermögensentwicklung im wörtlichen Sinne „umzumünzen“. Schnelle Entscheidungswege, geringere Regulatorik, Vertrauen seitens der Stakeholder-Seite, hohe Identifikation der Principals bieten zudem ein geeignetes Setting für ein Denken out of the box. Gerade gegenüber der Vermögensverwaltungs-Branche mit ihrem latenten Hang zur „Pseudo-Akademisierung“ ist dies durchaus von Nutzen. Das Thema ESG, dessen Entwicklung und Umsetzung aus unserer Sicht kritisch zu betrachten sind, ist ein aktuelles Beispiel für die Notwendigkeit geistiger Unabhängigkeit.
Wie wohl die meisten Marktteilnehmer nehmen auch wir eine sich verstetigende Instabilität der äußeren Rahmenbedingungen wahr, die die Aufgabe, Vermögen zu erhalten und am besten noch zu vermehren, nicht erleichtert. Denn Planbarkeit stellt eine tragendes Element jeder Vermögensverwaltung dar.
Wenn diese Instabilität aber das neue “Normal” darstellt, müssen wir dies akzeptieren und damit auch anerkennen, dass diese Destabilisierung letztlich eine Kehrseite der Globalisierung abbildet, von der wir in der Vergangenheit alle profitiert haben und hoffentlich künftig profitieren werden. Begriffe wie „disruptiv“ und diverse „New Theories“ beschreiben da eher das Dilemma, als dass sie Lösungsansätze präsentieren. Die Anpassung des Risikomanagements im Sinne einer noch sorgfältigeren Diversifikation und Kombination möglichst unkorrelierter Assets bleibt das Mittel der Wahl, wenn zunehmend auf Sicht gefahren werden muss. Die aufziehende Inflation trägt das ihre dazu bei, die Aufgabenstellung anspruchsvoll zu halten. Hier wird es darauf ankommen, die Flucht in Sachwerte nicht Hals über Kopf anzutreten, sondern ungeachtet der schmerzlichen Geldentwertung ausreichende Liquidität vorzuhalten, um dem Erfordernis der Absicherung Rechnung zu tragen als auch Opportunitäten in einem schwierigeren
(Re-)finanzierungsumfeld kurzfristig ausnutzen zu können. Und am Ende gilt trotz allem, sich auch in einem stetig wandelnden Umfeld den offenen Blick für Neues zu bewahren.
Über Florian Schmitt
Florian Schmitt war 13 Jahre lang in München als Rechtsanwalt und Steuerberater tätig, die letzten sieben Jahre davon für die Kanzlei Braun Leberfinger Ludwig mit dem Schwerpunkt auf der Beratung von Unternehmerfamilien. Er leitet heute in dritter Generation als Sprecher des Vorstands zusammen mit seinem Cousin die Holdinggesellschaft, in der die unternehmerischen Aktivitäten der Familie zusammen gefaßt sind. fschmitt@sldv.de