Droht Schieflage bei Private Equity-Fonds?
Das halte ich für unwahrscheinlich. Jede Krise stellt auch eine Chance dar. Gerade die Portfolien von etablierten Private Equity-Gesellschaften (PE) haben sich bereits in der Covid-19-Krise als äußerst robust erwiesen. Auch die derzeitige geopolitische Situation in Europa und die Energiekrise werden die Private Equity-Branche entsprechend meistern. Es werden auch weiterhin Fonds aufgelegt und erfolgreich am Markt platziert.
Grundsätzlich gehe ich von zwei Entwicklungen in den kommenden Jahren aus. Erstens, dass Technologien sowie Einkaufs‑, Produktions- und Lieferkettenprozesse noch stärker ins Augenmerk der PE-Häuser rücken werden. Hier sprechen wir von der Optimierung operativer Prozesse, mit denen sich Effizienz und Kosteneinsparungen weiter steigern lassen. Zweitens denke ich, dass Private Equity-Unternehmen verstärkt Zukäufe tätigen werden, die ihre Portfolien strategisch ergänzen. Ziel ist es, Synergien unter den Portfoliounternehmen herzustellen und so noch besser für Krisen gewappnet zu sein.
Bei unseren Mandanten verzeichneten unsere Transaction-Teams bisher nach wie vor eine hohe Anzahl an Investitionen und Transaktionsvolumina. Allerdings bemerken wir im Augenblick bei Investoren tatsächlich eine gewisse Zurückhaltung. Meiner Meinung nach ist das lediglich eine Momentaufnahme. Ich deute dies als kurze Phase der Marktbeobachtung, bevor erneut Investitionen getätigt werden.
Die Zeit für PE-Geldgeber ist nach wie vor recht aussichtsreich. Was die Geber-Mentalität von Investoren angeht, kommt es bei der Investitionsentscheidung jedoch auf den Einzelfall an. Jüngst haben sich die Unternehmensbewertungen oftmals nach oben entwickelt und machten Käufe unattraktiver – diese Dynamik war für Investoren mitunter nicht nachvollziehbar. Das aktuelle Zinsniveau korrigiert diesen Trend. Es schwächt die Unternehmensbewertungen wieder ab und macht Unternehmen mit der Zeit zu lukrativen Targets für geduldige Investoren. Große Chancen sehe ich derzeit für Investoren und Portfoliounternehmen gleichermaßen in den Bereichen Private Debt und Distressed Equity.
Einerseits sehen wir, dass Internationalisierung eine zentrale Rolle spielen wird. Denn wir gehen davon aus, dass sich der Trend fortsetzt und US-amerikanische Private Equity-Häuser verstärkt auf dem deutschen Markt investieren werden; Investoren aus den Vereinigten Staaten profitieren von einem starken Dollar. — Andererseits sehe ich das Potential, dass im kommenden Jahr eine zunehmende Zahl mittelständischer Unternehmen Private Equity-Kapital als Finanzierungsoption wählen. Steigende Zinsen lassen diese Alternative attraktiver erscheinen. Dies sehen wir sehr deutlich in unserer Rolle als Corporate Service Provider für zahlreiche Mittelständler, die wir bei der internationalen Expansion unter anderem mit unserem Global Payroll- und HR-Services unterstützen.
Marc-Oliver Knobloch ist Head of Commercial bei Vistra (Deutschland) und Mitglied der Geschäftsleitung von Vistra Deutschland. Er hat seinen Sitz in unserem Frankfurter Büro und ist für den Vertrieb in Deutschland verantwortlich. Bevor er zu Vistra kam, war Marc-Oliver Head of Sales bei der Creditshelf AG, dem ersten börsennotierten FinTech-Unternehmen in Deutschland, das digitale Finanzierungen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) anbietet. Davor war er Head of Deal Sourcing bei der PartnerFonds AG, einer Private Equity-Gesellschaft mit Sitz in München.