Der Aufsichtsrat als Vertreter von Investoreninteressen im Start up-Bereich
Bei der GmbH ist es gängige Praxis, daß die Investoren über ein weiteres Gesellschaftsorgan, den Beirat, auf Entscheidungen der Geschäftsführung Einfluss nehmen können. Zu diesem Zweck wird ein Beirat implementiert, der in der Regel durch Verankerung im Gesellschaftsvertrag als echtes Gesellschaftsorgan ausgestaltet wird. Gewisse Kompetenzen zur Kontrolle der Geschäftsführung werden durch Satzungsregelung oder eine Geschäftsordnung auf den Beirat verlagert, wodurch diese der eigentlich zuständigen Gesellschafterversammlung (vgl. §§ 37, 46 Nr. 6 GmbHG) entzogen sind.
Das Bedürfnis der Investoren, auf Entscheidungen der Geschäftsführung, bei der AG, des Vorstandes, Einfluss zu nehmen, besteht bei der AG in gleichem Maße wie bei einer GmbH. Die unmittelbare Einflussnahme auf die Geschäftsführung wird freilich durch den Grundsatz der Weisungsfreiheit des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) deutlich erschwert. Als effektives Instrument der Kontrolle können lediglich Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrates (§ 111 Abs. 4 S 2–5 AktG) dienen, von denen in der Praxis reger Gebrauch gemacht wird.
In der Praxis werden dem Aufsichtsrat durch die Beteiligungs- oder Gesellschaftervereinbarung auch Aufgaben übertragen, die nicht mit der Geschäftsführung im Zusammenhang stehen, sondern für das Verhältnis der Aktionäre untereinander von Bedeutung sind.
Von zentraler Bedeutung für die Ausübung von Einfluss, insbesondere für die Investoren, ist zunächst die Mitsprache bei der Besetzung des Aufsichtsrats, um dann über die betreffenden Mitglieder ein Mitspracherecht im Aufsichts- und Kontrollorgan der Gesellschaft zu erhalten. Daher werden Investoren regelmäßig ein Recht auf Benennung bzw. Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern verlangen.
Die Investoren sind meist daran interessiert – wenn sie nicht ohnehin den Auf- sichtsrat kontrollieren –, bestimmte Geschäfte der Zustimmung durch eine qualifizierte Aufsichtsratsmehrheit oder durch die von ihnen benannten Mit- glieder zu unterwerfen (sog. Investorenmehrheit). Auch solche Regelungen können nur in der Gesellschaftervereinbarung festgelegt werden.
Weitere rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich für die Frage, ob und unter welchen Umständen die Aufsichtsratsmitglieder Informationen an die von ihnen repräsentierten Investoren weitergeben dürfen. Zunächst dürfen Aufsichtsratsmitglieder im Grundsatz keine Informationen offenlegen oder weitergeben, die ihnen im Rahmen ihrer Organtätigkeit bekannt werden, es sei denn die Offenlegung läge im Unternehmensinteresse. Im Fall eines Verstoßes gegen diese Verschwiegenheitspflicht sind die Aufsichtsratsmitglieder nicht nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch die Offenlegung verursacht wurde (vgl. § 116 iVm § 93 Abs. 1 S. 3 AktG). Darüber hinaus droht den ihnen im Fall einer unbefugten Informationsweitergabe sogar eine strafrechtliche Verurteilung (vgl. § 404 AktG).
Bliebe es bei diesem Regime, würde dies jedoch an den Bedürfnissen der Praxis vorbeigehen und zudem die betreffenden Aufsichtsratsmitglieder in einen Interessenkonflikt stürzen. In der Praxis wird daher im juristischen Schrifttum vertreten, dass in solchen Fällen ein konkludentes Einverständnis mit der Informationsweitergabe anzunehmen sei, zumal die Weitergabe der Informationen an die Investoren aus vorgenannten Gründen ja sogar im Unternehmensinteresse liegen dürfte.
Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats verhindert eine direkte Beeinflussung durch die Aktionäre und das Erfordernis der Satzungsänderung durch die Hauptversammlung macht Satzungsregelungen unattraktiv. Dies muss aber keinen Nachteil im Wettbewerb der Rechtsformen für Start ups bedeuten. Es lassen sich in Kenntnis der gesetzlichen Beschränkungen mit der erforderlichen Umsicht aber auf schuldrechtlicher Ebene praxistaugliche Lösungen verankern, die den Interessen der Geldgeber zur Durchsetzung verhelfen.
Christof.Schneider@Arqis.com
Dr. Christof Alexander Schneider ist Partner im Transactions-Team von ARQIS in Düsseldorf. Er berät zu sämtlichen Fragen des Gesellschafts- und Aktienrechts, insbesondere im Rahmen der Organtätigkeit von Vorständen, Aufsichtsräten und Beiratsmitgliedern.