ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe
Foto: Max Flötotto

Corporates und Startups brauchen einander

Dazu 3 Fragen an Max Flötotto

McKin­sey & Company, Inc.
Foto: Max Flötotto
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11. Juni 2019

Wie ein Refrain wird in der Szene immer wieder die Zusam­men­ar­beit zwischen Start­ups und Corpo­ra­tes propa­giert. Die Möglich­kei­ten, sich in der Grün­der­szene zu enga­gie­ren, sind mannig­fal­tig – über Koope­ra­tio­nen mit jungen Firmen, Inves­ti­tio­nen in Start-ups, einem eige­nen Acce­­le­ra­­tor-Programm, eine eigene Venture Capi­­tal-Einheit oder durch Inves­ti­tio­nen in bestehende Geld­ge­ber. Oftmals taugt die beste Stra­te­gie aber nichts, wenn das Unter­neh­men dabei kein verläss­li­cher Part­ner mit einer lang­fris­ti­gen Stra­te­gie ist. 


Dazu 3 Fragen an Max Flöt­otto, Part­ner bei McKin­sey & Company, Inc.

1. Warum brau­chen Start­ups und Corpo­ra­tes einander?

Die Welt verän­dert sich rasant. Das wurde schon immer gesagt, aber die Geschwin­dig­keit der Verän­de­rung hat in der Tat zuge­nom­men. Nur ein Beispiel: Die Unter­neh­men im Börsen­in­dex S&P500 waren 1960 im Schnitt über 60 Jahre alt, heute sind es nur noch 20 Jahre. Bran­chen verän­dern sich rasant. Große Daten­men­gen zu spei­chern und auszu­wer­ten ist heute viel billi­ger und schnel­ler als früher. Das ermög­licht ganz neue Geschäftsmodelle. 

In diesem Anpas­sungs­pro­zess bewe­gen sich Start-ups schnel­ler als Corpo­ra­tes – häufig sind sie Trei­ber dieses Wandels durch neue Tech­no­lo­gien, die sie auf den Markt brin­gen. Die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Corpo­ra­tes steht auf dem Spiel. Sie müssen sich mit Start-ups beschäf­ti­gen – sei es, um von ihnen zu lernen, ihre Produkte oder die komplet­ten Start­ups zu kaufen und zu inte­grie­ren oder um mit ihnen zu koope­rie­ren, etwa in Entwicklungspartnerschaften.
Start­ups wiederum sind oft auf Corpo­ra­tes ange­wie­sen. Das beginnt bei der Finan­zie­rung von Wachs­tum. In den USA ist die Summe des Corpo­rate-Venture-Kapi­tals 2018 auf knapp 100 Mrd. US-Dollar gestie­gen, was einem Wachs­tum um fast 300% seit 2013 entspricht. Corpo­ra­tes können in Part­ner­schafts­mo­del­len Start-ups den Zugang zu Märk­ten verein­fa­chen und ihr Wachs­tum beschleu­ni­gen. Je schnel­ler und größer Start-ups wach­sen, desto mehr müssen am Ende auch Start-ups von Corpo­ra­tes lernen, gerade wenn es um stabile Prozesse zum Beispiel im Perso­nal­ma­nage­ment und der Quali­täts­si­che­rung geht.

2. Was sind die zentra­len Heraus­for­de­run­gen zwischen Corpo­ra­tes und Startups?

In unse­rer Arbeit mit etablier­ten Unter­neh­men tref­fen wir biswei­len auf eine gewisse Frus­tra­tion und Enttäu­schung nach Initia­ti­ven oder Ventures mit Start­ups. Mit großen Plänen gestar­tet, macht sich Ernüch­te­rung breit, wenn Themen nicht sofort abhe­ben. Auf der ande­ren Seite arbei­ten wir mit vielen Start-ups zusam­men, die komplett frus­triert von ihren Inter­ak­tio­nen mit Corpo­ra­tes berich­ten. Was ist hier los?

Wir sehen Heraus­for­de­run­gen in fünf Bereichen:

1) Ziel­kun­den und Kommu­ni­ka­tion: Viele Start­ups tun sich sehr schwer damit, die rich­ti­gen Corpo­ra­tes als Kunden oder für eine Part­ner­schaft auszu­wäh­len. Und selbst wenn sie diese gefun­den haben, fehlt ihnen der Zugang zu rele­van­ten Entschei­dungs­trä­gern. Sie krie­gen schnell ein Meeting – aller­dings oft mit den falschen Leuten. Dann versan­det eine viel­leicht gute Initia­tive irgendwo in der Orga­ni­sa­tion. Corpo­ra­tes haben indes­sen oft einen erschre­ckend schlech­ten Über­blick über die wirk­lich rele­van­ten Start­ups in ihrem Sektor. Beide Parteien machen sich oft nicht im Vorfeld klar, was genau sie von einer Zusam­men­ar­beit erwar­ten und wie sie den Erfolg messen sollen – es fehlen dann die rich­ti­gen KPIs, um den Erfolg der Initia­ti­ven auch bewer­ten zu können.

2) Prozesse: Während das Startup darun­ter leidet, dass beim großen Part­ner Entschei­dun­gen und Entwick­lungs­pro­zesse lange dauern und die Budge­tie­rung intrans­pa­rent bleibt , ist es für Corpo­ra­tes oft schwie­rig, wenn Start­ups noch keine klaren Prozess-Stan­dards haben und beim Thema Compli­ance und Quali­täts­si­che­rung ein echtes Risiko darstel­len können – weil eben Trial und Error z.B. in einer großen Ferti­gungs­straße nicht mehr gut funktioniert.

3) Value Assu­rance: Wenn es im großen Unter­neh­men am Willen des Führungs­teams fehlt, die Zusam­men­ar­beit zu einem klar defi­nier­ten Erfolg zu führen, dann drohen Start­ups in einem ewigen und nicht ziel­füh­ren­den Test-Usecase zu versin­ken. Für das Corpo­rate besteht natür­lich immer das zusätz­li­che Risiko, dass ein Startup aufgrund seiner noch fragi­len Situa­tion nur bedingte Value Assu­rance leis­ten kann – und immer mit dem Risiko gerech­net werden muss, dass das Startup mit seinen Lösun­gen als Part­ner auch schnell wieder vom Markt verschwindet.

4) Orga­ni­sa­tion und Talente: Häufig fehlt bei Start­ups Erfah­rung in Sales, Key Account Manage­ment und Verhand­lung – was ein Zusam­men­spiel nicht leich­ter macht. Dafür fehlen dem Corpo­rate oft dedi­zierte Abtei­lun­gen und Talente, die sich mit exter­ner Inno­va­tion befas­sen, was zu einem unge­plan­ten und will­kür­li­chen Umgang mit exter­ner Inno­va­tion führen kann.

5) Kultur: Am Ende ist eine große Heraus­for­de­rung der „Clash of Cultures“. Während Grün­der und Mitar­bei­ter des Start­ups in ihrer Can-Do-Menta­li­tät gerne schnell und itera­tiv arbei­ten und dabei auch Risi­ken einge­hen, trifft man im Corpo­rate häufi­ger Mitar­bei­ter und Entschei­dungs­trä­ger, die ein geplan­tes Vorge­hen bevor­zu­gen, das in erster Linie Risi­ken vermei­det. Das kann zu Miss­ver­ständ­nis­sen und großer Frus­tra­tion führen. Nicht unter­schät­zen sollte man auch die Angst vor Verän­de­rung oder Verlust der eige­nen Wert­schät­zung bis hin zum Verlust des Arbeits­plat­zes im Corpo­rate durch externe Innovation.

3. Wie kann man diese Heraus­for­de­run­gen lösen? Was braucht es, damit beide Player zuein­an­der finden?

Wie so oft ist der Dialog entschei­dend. Genau hier können Spie­ler helfen, die zentral im Ökosys­tem zwischen Start-ups und Corpo­ra­tes vermit­teln. Dazu gehö­ren Incu­ba­tors, Acce­le­ra­tor­pro­gramme, aber auch Unter­neh­mens­be­ra­tun­gen wie McKin­sey, die auf der einen Seite tiefe Indus­trie-Exper­tise und globale Bezie­hun­gen zu den wich­ti­gen Entschei­dern der Corpo­ra­tes pfle­gen – und auf der ande­ren Seite eigene Netz­werke in die Startup-Welt aufge­baut haben. Bei McKin­sey pfle­gen wir diesen Dialog seit Jahren mit unse­rem Startup-Programm Fuel Igni­tion. Dabei helfen wir zum einen im Aufbau von Netz­wer­ken zwischen Führungs­eta­gen und jungen Inno­va­to­ren, zum ande­ren können wir unab­hän­gige Perspek­ti­ven z.B. auf Problem­lö­sungs­me­tho­den und Märkte bieten, Diskus­sio­nen struk­tu­rie­ren und mode­rie­ren – und darüber die Basis für eine erfolg­rei­che Zusam­men­ar­beit schaffen.

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