Aktuelle Entwicklungen im VC-Bereich
GSK Stockmann
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4. September 2018
1. Was sind die Gründe für die oben beschriebenen Entwicklungen?
Die Niedrigzinsphase hält – jedenfalls in Europa – weiterhin an und es ist derzeit kein Ende dieser Phase in Europa in Sicht. Es ist unter anderem aus diesem Grund viel Geld im Markt. Bei anderen Assetklassen, wird es zunehmend schwieriger, hohe Renditen zu erzielen. Die Assetklasse „Venture Capital“ gewinnt unter anderem aus diesem Grund – trotz der Risiken – zunehmend an Attraktivität für Investoren. Jüngste Neuauflagen von VC-Fonds haben gezeigt, dass die Fondsvolumina auch in Deutschland aufgrund des steigenden Interesses an VC-Investments stetig größer werden. Andererseits steigt hierdurch auch im VC-Bereich der Anlage- und Renditedruck. Unter anderem werden aus diesem Grund auch für bisher eher auf spätere Investmentphasen fokussierte VC-Fonds Frühphasen-Investments attraktiver. Häufig werden hierfür separate Fonds aufgelegt.
Bei Family Offices und Business Angel ist eine beeindruckende Professionalisierung festzustellen. Das gilt sowohl für das Deal-Sourcing als auch für die fortlaufende Betreuung von Investments. Family Offices investieren zwar auch weiterhin in VC-Fonds. Die stärkere Professionalisierung und die wachsende Erfahrung mit VC-Investments haben jedoch dazu geführt, dass Family Offices zunehmend auch Direktinvestments tätigen. Zunehmend schließen sich Business Angel in unterschiedlicher rechtlicher Form für das Deal-Sourcing und gemeinsame Einzelinvestments sowie die Betreuung von Investments bis zum Exit zusammen. Insoweit macht sich eine stärkere Präsenz auch für andere als institutionelle VC-Investoren im VC-Bereichs deutlich bemerkbar.
2. Welche Regelungen sind hier besonders wichtig? Wie gestalten sich diese? Welche Auswirkungen haben sie auf die Verhandlungen?
Bei Verhandlungen ist es ganz entscheidend, dass sich Business Angels bündeln und gegebenenfalls auch mit Family Offices abstimmen. Andernfalls kann der Fundraising-Prozess sowohl für das Startup als auch für institutionelle VC-Investoren (die zumeist etwas später investieren als Business Angels) zu mühsam und erheblich behindert werden. Aus Sicht von VC-Investoren und auch des Startups sind formelle Pooling-Vereinbarungen und ‑vollmachten für die Zeit nach der ersten größeren Finanzierungsrunde wichtig. Hier finden sich immer häufiger sogenannte „harte“ Pooling-Vereinbarungen, die über ein bloßes Stimmrechtspooling hinausgehen. Ob und inwieweit das akzeptabel ist, wird dann nicht selten zu einem stark diskutierten Verhandlungspunkt zwischen Business Angels einerseits sowie dem Startup und den institutionellen Investoren andererseits.
Aus Sicht von Family Offices und Investoren spielen bei Frühphasen-Investments Absicherungen für den Fall, dass sich das Startup nicht erwartungsgemäß entwickelt (insbesondere Liquidationspräferenzen und Verwässerungsschutz), sowie die Absicherung einer Mindestinvestitionsmarge im Exit-Fall eine wichtige Rolle. Letzteres führt dazu, dass teilweise schon recht früh ein Mindestverkaufspreis für den Exit-Fall vereinbart wird. Erst wenn dieser erreicht oder überschritten wird besteht eine Mitverkaufspflicht der Investoren.
Ein klassisches Thema sind und bleiben natürlich stets die Mitbestimmungs- und Vetorechte von Investoren. So ist häufig ein Verhandlungspunkt, ob und inwieweit Investoren ein Mitspracherecht bei zukünftigen Finanzierungrunden haben sollen und unter welchen Voraussetzungen diese einer solchen Runde zustimmen müssen. Hier gibt es zwar zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Am Ende bleibt immer die Frage, ob und inwieweit etwaige Zustimmungs- und Mitwirkungspflichten bei zukünftigen Finanzierungsrunden tatsächlich in angemessener Zeit durchsetzbar wären. Nach meiner Erfahrung liegt der Wert solcher Regelungen eher in der „Disziplinierungsfunktion“ für kleinere Investoren.
Schließlich sind — auch und gerade in der Frühphase — die Vesting-Regelungen für Investoren von besonderer Bedeutung, insbesondere der Vestingzeitraum, die Cliff-Periode sowie die Frage, wann ein so genannter Good Leaver- oder Bad Leaver- Fall vorliegt. Investoren wollen hier eine klare Eigenverpflichtung der Gründer sehen. Die Gründer wollen andererseits nicht gegebenenfalls noch nach vier Jahren alle Anteile zurückgeben müssen. Den Vestingregelungen sollte besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden (auch was die technische Abwicklung angeht); sonst kann deren Um- und Durchsetzung später erhebliche Schwierigkeiten bereiten.
3. Man beobachtet nur wenige Börsengänge in Deutschland. Wie gestalten sich Ihrer Beobachtung nach die aktuellen Exit-Szenarien?
International gab es noch nie so viele so genannte „Einhorn-Exits“ (d.h. Exits mit Milliardenbewertung) im Wege von Börsengängen wie in 2018. Der Anteil von Europa an diesen Exits ist allerdings eher bescheiden. Nach wie vor ist das Börsenumfeld in Deutschland ein ganz anderes als insbesondere in den USA (trotz mancher Bemühungen der Deutschen Börse, hier nachzubessern, u.a. durch die Schaffung neuer Börsensegmente und Venture-Netzwerke).
In Deutschland handelt es sich bei Exits weiterhin überwiegend um so genannte Trade Sales. Von diesen gab es in den letzten Jahren auch in Deutschland durchaus eine große Anzahl mit teilweise recht hohen Bewertungen. Andererseits ist auf Seiten der Käufer mittlerweile eine größere Vorsicht bei Exit-Bewertungen bemerkbar. Neben teilweise recht umfangreichen Gewährleistungskatalogen sowie hierauf bezogene Escrow-Vereinbarungen finden sich deshalb auch verstärkt recht strikt ausgestaltete Rückhaltevereinbarungen für die Gründer, nach denen diese zunächst noch einige Zeit (drei bis vier Jahre sind hier nicht selten) weiter arbeiten müssen, bevor sie ihren vollen Anteil am Exiterlös erhalten. Vermehrt gibt es auch Exit-Fälle mit einer sehr großen Anzahl von (zumeist kleineren) Frühinvestoren. Eine ganz wesentliche Aufgabe ist dann deren Bündelung sowie die rechtliche und logistische Handhabung solcher Fälle, auch und gerade im Hinblick auf die Verteilung der Exit-Erlöse und die entsprechenden Zahlungsströme.
Über Dr. Thomas Derlin
Dr. Thomas Derlin, LL.M., Partner bei GSK Stockmann in Berlin, berät schwerpunktmäßig in den Bereichen Venture Capital, Private Equity und M&A sowie im Gesellschaftsrecht. Thomas Derlin hat langjährige Erfahrung in der Beratung von VC-Investoren und Startups bei VC-Transaktionen, insbesondere Finanzierungsrunden und Exits, sowie in der Beratung von Strategen und Investoren bei M&A‑Transaktionen mit einem besonderen Schwerpunkt auf IT- und Technologieunternehmen.